Liberaler Strafvollzug – Prävention schlägt Law and Order

Der deutsche Strafvollzug ist reformbedürftig: Marode Justizvollzugsanstalten, hohe Rückfallquoten und unzureichende therapeutische Angebote sind deutliche Indikatoren für akuten Handlungsbedarf!

Im Zuge dessen fordern wir:

Im Allgemeinen:
• Ersatzfreiheitsstrafen abschaffen und durch ein wirksameres Surrogat z.B. gemeinnützige Arbeit ersetzen
• Mehr zielgerichtete richterliche Auflagen anstatt kurzer Freiheitsstrafen: z.B. Sozialarbeit, befristeter Führerscheinentzug, Aufenthaltsverbote als Alternative zur Freiheitsstrafe
• Die Haftentschädigung erhöhen und regelmäßig an die Inflationsrate anzupassen.
• Bauliches Konzept: JVA Vision 2045
• Mehr offenen Vollzug (nach Boostedter Vorbild) zu wagen, um die desintegrative Wirkung der Haft zu schmälern
• Einführung Pilotprojekt: Strafvollzug nach norwegischem Modell, in einer neuen Anstalt
• Die Zusammenarbeit von Justizvollzug und kriminologischer Forschung zu verbessern, z.B. durch die Einrichtung eines kriminologischen Dienstes. Dieser soll Resozialisierungs- und Rückfallevaluationen durchführen, die den Erfolg einzelner Maßnahmen auch aus Sicht der (ehemals) Inhaftierten betrachtet.
• Entkriminalisierung von Bagatelldelikten wie z.B. Schwarzfahren
• Täter-Opfer-Ausgleich, wo möglich, ausweiten
• Präventions- und Therapieangebote ausweiten
• Opferschutzorganisationen stärken
• Das Justizvollzugsrecht in die Juristenausbildung (Referendariat) und insbesondere die
Fachanwaltsausbildung Strafrecht verstärkt aufnehmen.

Konkret bezüglich der Gefangenen:
• Digitale Möglichkeiten nutzen – Kapazitäten für Videotelefonie in den Anstalten verbessern, um den wöchentlichen Kontakt zwischen Inhaftierten und Bezugspersonen sicherzustellen und die spätere Reintegration zu erleichtern. Ein Projekt zur digitalen Teilhabe wie “Resozialisierung durch Digitalisierung” aus Berlin, in Schleswig-Holstein umzusetzen.
• Telefonangebote sollen ausgebaut werden, indem z.B. bei der Vergabe an Anbieter stärker auf geringere Kosten geachtet und die Erreichbarkeit von Behördenrufnummern gewährleistet wird.
• Besuchsmöglichkeiten verbessern, insbesondere um den Umgang von Kindern und Jugendlichen mit ihren inhaftierten Eltern zu gewährleisten. Zusätzlich sollen analog zu Mutter-Kind-Haftplätzen auch Vater-Kind-Haftplätze bei Bedarf ermöglicht werden.
• Die Stärkung der Interessenvertretung der Gefangenen, um Konflikten durch Verschaffung von Gehör vorzubeugen; Schaffung eines Anreizsystems für solche „Gremienaktivitäten“
• Die Grundversorgung aller Justizvollzugsanstalten in SH muss durch das zuständige Ministerium sichergestellt werden. In Teilen fehlt es an Warmwasser oder ausreichender Hygiene
• Die stufenweise Erhöhung des Gefangenenlohns bei vergleichbarer Arbeit, um Schuldenabbau zu ermöglichen und Chancengerechtigkeit zu schaffen
• Die U-Haftbedingungen sollen, wo möglich, nicht schlechter sein als die Bedingungen im Regelvollzug (weniger Aufschluss, keine Arbeitserlaubnis, begrenzte Therapieangebote). Angleichungskriterien sollen im Einzelfall die zu erwartende U-Haftdauer und die einschlägigen Haftgründe darstellen —> Ausgleich zwischen Unschuldsvermutung und Gleichbehandlung finden
• Die Betreuung von Inhaftierten, die als sog. Gefährder angesehen werden, durch speziell auf die jeweilige Ideologie geschulte Vollzugsbeschäftigte durchführen zu lassen und nachweislich erfolgreiche Deradikalisierungsprogramme zu nutzen. Wenn möglich, sind Gefährder von denen für Radikalisierung anfälligen Gefangenen, z.B. Erstinhaftierten, zu trennen.
• Sicherstellen, dass Sicherheitsverwahrung tatsächlich Verwahrung und nicht erweitere Haftstrafe ist. (z.B. Unterbringungsstandarts, zeitlich unbegrenzter Außenbereich, Tierhaltung, Freizeitangebot)
• Bildung als Grundpfeiler sichern – Das zentralisierte Bildungsangebot in der JVA Neumünster muss aufrechterhalten werden. Es soll sichergestellt werden, dass jeder Häftling einen Schulabschluss machen und ggf. eine Ausbildung absolvieren kann.
• Eine umfassende Entlassungsbegleitung ist sicherzustellen – die Justizvollzugsanstalten sollen dazu mit den Akteuren des Hilfesystems, sowie privaten Akteuren, einschließlich ehrenamtlichen Initiativen, kooperieren. Die Kooperation mit der örtlichen Wirtschaft sollen Häftlingen nach der Ausbildung im Vollzug eine leichte Übernahme in reguläre Beschäftigungsverhältnisse ermöglichen
• Überprüfung verschiedener Arbeitsangebote / Unterbringungsarten / Therapieangebote durch statistische Befragung ehemaliger Häftlinge
• Bezüglich jugendlicher Gefangener, muss eine pädagogische Betreuung (Selbstverwaltung und Demokratisierung) gewährleistet werden. Zudem soll das hessische Projekt “Arbeitsmarktintegration für jugendliche Strafentlassene” (engmaschige Betreuung in einen geregelten Alltag), auf Schleswig-Holstein übertragen werden.

Konkret bezüglich der Justizvollzugsangestellten/der Justizvollzugsanstalt an sich:
• Angleichung an den Polizeidienst – Regelmäßige Sichtungen für den AVD einführen, um die Einsatz- und Leistungsfähigkeit sicherzustellen (Grund: hoher Krankheitsstand, Prävention)
o Verbunden damit mehr Betriebssportangebote schaffen und honorieren
o Mehr Lehrgänge, da körperliche Belastung im Vollzugsdienst im Normalfall gering ist, sodass Sicherheit für den Ernstfall geschaffen werden muss
• Verbesserung der Ausbildungsstätte in Boostedt (unzureichende Ausstattung der Räumlichkeiten, Gestank, Lärm aus der Flüchtlingsunterkunft, Objekt ist eine alte Kaserne und laut Ministerium sogar ein Sanierungsfall)—> dringender
Handlungsbedarf laut DDB und offenen Brief der GDP (selbst Süddeutsche Zeitung berichtete über die Missstände)
• Personalschlüssel anpassen, damit die soziale Verantwortung der AVD-Mitarbeiter (Aufgaben wie Suizidprävention und Deeskalation) sichergestellt werden kann (teilweise 25:1 Betreuung)
• Die Arbeitsbedingungen und Eingruppierungsperspektiven für medizinisch ausgebildete Beschäftigte zu verbessern, um die medizinische Grundversorgung der Anstalten zu gewährleisten
• Das Ministerium zu einer Erhebung der realen personellen Verfügbarkeit verpflichten, da Stellenaufbau zwar formell erfolgt, die realen Bedingungen jedoch aufgrund des hohen Krankenstands nicht dem Soll entprechen—> das Problem an der Wurzel packen und nicht Symptome bekämpfen
• Die Einbindung von Unternehmen in den Vollzugsalltag erleichtern, aber zeitgleich eine Privatisierung von Justizvollzugsanstalten als Institution an sich verhindern.
• Die Einrichtung eines Justizvollzugsbeauftragten wie in NRW oder eines überörtlichen Vollzugsbeirats nach Berliner Vorbild prüfen; dafür sind Regeln aufzustellen, damit der Justizvollzug wirksam kontrolliert und die Empfehlungen klar kommuniziert werden können.
• Haushaltstitel durchlässiger gestalten, um Mitarbeitern der Wirtschaftsverwaltung Handlungsfähigkeit zu geben, damit Bürokratie kein Hindernis für kurzfristige sinnvolle Investitionen ist
• Drohnenabwehrmöglichkeiten erweitern (z.B. durch Störsender), um illegalen Schmuggel einzudämmen
• Landeseinheitliche Standards für im Vollzug erlaubte bzw. verbotene Sachen setzen.
• Bürokratieabbau bei der GMSH – Die Planungsstrukturen müssen die Besonderheiten einer JVA berücksichtigen und in dem Bereich beschleunigt agieren, um die Resozialisierung und Anstaltssicherheit nicht zu beeinträchtigen. Das Denkmalschutzrecht darf sicherheitsrelevante Projekte nicht verhindern und ist entsprechend anzupassen.